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Pelz Daniel: Frühchenpapa. Ein Wegbegleiter. Brandes & Apsel 2022, 149 Seiten


Wenn nicht schon bei den Voruntersuchungen Komplikationen auftauchen, dann kommt es unverhofft zu einer Frühgeburt. Bei dem Autor und seiner Frau handelte es sich um Zwillinge, deren eine Fruchtblase zwei Monate vor dem errechneten Geburtstermin platzte. Und plötzlich ist alles anders.

Der erste Teil des Buches ist nur schwer erträglich. Waren sie in der neonatologischen Klinik an ihrem Urlaubsort zunächst noch relativ gut aufgehoben, so gestaltete sich, nach der Verlegung, der Aufenthalt auf einer neonatologischen Station an ihrem Heimatort als einziger Albtraum. Überforderte und überlastete Pflege, genervte Ärzt:innen, bürokratische Hürden; die Hindernisse und Empathie freien Konfrontationen wollten nicht enden. Das dies heute noch möglich ist, finde ich erschütternd, passt aber leider gut zur Ökonomisierung des Krankheitssystems. Immerhin war das Känguruhen, bei dem das Frühchen auf der Brust von Mutter und/oder Vater ein bis drei Stunden ruhen kann, in der neonatologischen Klinik üblich. Auch gab es Hinweise, dass es für ein Frühchen, bei dem die Lanugobehaarung noch vorhanden ist, unerträglich ist, im Inkubator gestreichelt zu werden, wohl aber die Begrenzung mit der elterlichen Hand an Kopf und Füßen angenehm ist. Insgesamt war jedoch die emotionale Unterstützung für die Eltern mangelhaft, blieb der Vater sogar oft am Rande, indes er für die Unterstützung von Mutter und Kind unbedingt hilfreich sein kann. Die neue Kleinfamilie erhielt dann immerhin von einer sehr einfühlsamen Hebamme Zuhause Unterstützung – die werden ja aber mehr und mehr weg gespart oder mit hohen Versicherungssummen vergrault. Ebenso war eine osteopathische Behandlung des Frühchens sehr hilfreich, bei der sich der Säugling unter der sensiblen Berührung beruhigen konnte.

Der zweite Teil gibt dann die Lehren aus den Erfahrungen des Elternpaares, besonders des Vaters wieder. Hier fehlt es auch nicht an Hinweisen, dass psychologische Unterstützung, gerade für die Väter sehr hilfreich sein kann. Die Tipps sind nicht verallgemeinerbar, da jede Situation etwas anders gelagert ist. Bei der Frage, wie viel von den traumatischen Erfahrungen später im Leben noch von Bedeutung sein kann, bleibt der Text die Antwort schuldig. Da wir inzwischen viel mehr über das vorsprachliche Körpergedächtnis wissen, sollte es eigentlich selbstverständlich sein, dass solche technizistische Behandlung unterbleibt, respektive die notwendigen medizinischen Behandlungen so gestaltet werden, dass sie so stressfrei wie möglich sind und dass eine sehr einfühlsame Nachsorge selbstverständlich ist. Ein hilfreiches Buch, auch für Freund:innen und Angehörige, die allzu oft mit Unverständnis und wenig angebrachten Rat-Schlägen auf die hochgradig gestressten Eltern reagieren. Im Anhang ein Fachwort- und Hilfestellenregister.

Bernd Kuck      
Juli 2023. Zuerst erschienen im Ärzteblatt PP in 7/23


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