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Moser , Tilmann: Zuversicht und Resignation. Vom Umgang mit bedrohten Psychotherapien, Brandes & Apsel 2020, 168 Seiten.


Wahrscheinlich muss mensch ein hohes Alter erreicht haben, um so offen über bedrohte Psychotherapien schreiben zu können. Die hinreichend bekannte Redewendung, sich nun jenseits von Gut und Böse zu befinden, trifft hier sicherlich zu. Im Kreise wertschätzender Kolleg:innen werden ja immer wieder problematische Verläufe, Verlust der therapeutischen Haltung, Verzweiflung und Verdruss in der Arbeit angesprochen, wenn mensch denn einen solchen wertvollen Kreis zur Unterstützung hat. Moser hat ihn, der Rezensent ebenfalls. Auch ich kann mich noch gut an Ausbildungszeiten erinnern, wo der Eindruck entstand, dass nur die Anfänger:innen die Fehler machten. Gleichwohl bekam mensch ja auch mit, dass Ausbilder Abbrüche zu verkraften hatten; leider eher durch den „Deutungsmüll“, den sie den Delinquent:innen hinterher warfen, meist in Gestalt von Schuldzuweisungen. Sehr wahrscheinlich ist es auch ein Ausdruck kapitalistischer Gesellschaftsstruktur, die immer auf Überlegenheit und Konkurrenz aus ist. „Der Untergang des einen ist der Aufstieg des anderen“ (Karen Horney). Psychotherapie ist ein schwieriges Unterfangen und gelingt u.a. am besten, wenn ein Austausch in gebündelter Kompetenz und gegenseitigem Wohlwollen möglich ist. Dies gilt gleichermaßen für die Supervision. Und wer sich einem relationalen, intersubjektiven Verständnis von Beziehungsgeschehen zugewandt hat, dem ist klar, dass nicht jedes therapeutische Paar passt und dass es unterschiedliche Zugänge zum Gegenüber gibt. Jede:r Therapeut:in wird auch unterschiedliches an Übertragungs- und Gegenübertragungsgeschehen ermöglichen. Und bedenkt mensch, wie viele verschiedene Theoriegebäude es in der Psychotherapie gibt, so darf ruhig angenommen werden, dass der Königsweg nirgends gefunden ist.

Moser zeigt mal wieder Mut und wohl auch Leidensfähigkeit. Mut, weil er hier Therapiebeispiele vorlegt, in denen das „gemeinsame Werk“ (Heisterkamp) scheiterte; Leidensfähigkeit nicht nur im Durchhalten in den Stürmen der Übertragung und Gegenübertragung, sondern auch in Hinsicht auf die erwartete Kolleg:innen Schelte. Eine kontroverse Diskussion bleibt ein wichtiges Element in der Auseinandersetzung. Ist sie getragen von Wertschätzung und lässt sie Besserwisserei vermissen, dann kann hier viel Fruchtbares entstehen. Moser ist bekannt für die Integration von bioenergetischen und gestalttherapeutischen Elemente in seine analytische Arbeit. Wer heute noch an den Segen methodenreiner Behandlungen glaubt, wird auch hier das reine Gold der Psychoanalyse vermissen. Wer dagegen die hilfreiche Möglichkeit von Berührungen kennt und zu schätzen weiß, der wird hier erfahren, dass Königswege von versklavten Massen geebnet wurden – im realen therapeutischen Tun müssen die Steine schon selbst weggeräumt werden; hoffentlich mit echter kollegialer Unterstützung.

Bernd Kuck      
April 2021. Zuerst erschienen im Ärzteblatt PP in 1/21

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