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Minden, Gerald von: Der Bruchstückmensch, München 1988


Minden ist Dozent am psychoanalytischen Institut in München und arbeitet als Pschoanalytiker in freier Praxis. In seinem Buch stellt er die britische Schule der Objektbeziehungstheorie dar. Er stellt die Narzißmustheorie von Kohut, Kernberg und der britischen Schule gegenüber, bzw. sucht nach Möglichkeiten der Integration. Die britische Schule geht auf Melanie Klein und Winnicott zurück, die von Fairbairn und dessen Schüler Guntrip weiterentwickelt wurden. Im Mittelpunkt steht die Überlegung der Ich-Spaltung, die auf die gestörte frühkindliche Beziehung zur Mutter zurückgeführt wird. Die nicht hinreichend gute Mutter verhindert die Integration der als unterschiedlich erlebten Mutter-Imago. Diese wird, angeblich, vom Kind als einerseits gut, nämlich spendend, und andererseits als böse, nämlich versagend erlebt. Da die Mutter des Frühgestörten auf dessen kanibalische Tendenzen der Inkorporation mit Ablehnung und Zurückweisung reagiert, kommt es zu einer Aufspaltung des Ichs. Neben dem Zentralich existie
Diese Frühstörung wird im Sinne einer Schichtung der Person analog zu Balint als "Grundstörung" bezeichnet, die die spätere ödipale Phase zum Scheitern verurteilt. Freud habe diesen Gesichtspunkt nicht gesehen, da er selbst eine gute Mutterbeziehung hatte. (143)
Zunächst besticht die Theorie durch ihre Entdeckung der frühen Mutterbeziehung, die für die Entwicklung des Menschen mindestens so bedeutsam ist, wie die Beziehung zum Vater. Interessant ist, daß dabei auf Rank keinerlei Bezug genommen wird, dem neben Ferenczi wohl das Privileg der Erstentdeckung zukommt. Schon bei ihm wird der Mensch als in Beziehung stehendes Wesen gesehen, als wachsend in einer Ich-Du-Beziehung (wie sie Buber in seiner zwar religiös auslaufenden, aber personalen Theorie später formulierte). Dies, daß der Mensch von Anfang an in Beziehung steht, ein In-der-Welt-Sein und immer schon Mitmensch-Sein (Heidegger) ist, hat nun also auch die Psychoanalyse "entdeckt".

Zusammenfassend gesagt: In der Theorie der Objektbeziehungen ist die Art der Objektbeziehung, der Charakter des Bezogenseins, die Erlebnisqualität des Miteinander der Angelpunkt, um den sich alles dreht. (159)

In der therapeutischen Beziehung nun soll der Mangel der Mutter-Kind-Beziehung nachgeholt werden. Der Therapeut hat also die schwierige Aufgabe zu bewältigen, dem Analysanden eine "hinreichend gute Mutter" zu sein, später die Aufgaben eines "hinreichend oder überwiegend guten Vaters" zu übernehmen. Das stellt gewaltige Anforderungen an den Therapeuten, und man kann denen, die sich mit sogenannten frühgestörten Menschen befassen, nur Bewunderung zollen.

Was da an Wut und Aggression vorhanden ist, muß das aber auf Einbrüche aus dem "antilibidinösen Ich" betrachtet werden? Nach Alfred Adler läßt sich die Problematik auch unter dem Stichwort des "verzärtelten Lebensplans" abhandeln, wobei der Begriff insofern nicht passend erscheint, weil ja die "Frühgestörten" gerade eher vernachlässigt sind, nicht angenommen. Bei Adler ("Verzärtelte Kinder, 1930) meint nun aber verzärtelter Lebensstil auch eine Anspruchshaltung, weil sich der Mensch in der Kindheit verkürzt fühlte oder es tatsächlich war. Daraus leitet er nun eine Anspruchhaltung ab, ein Verlangen nach Wiedergutmachung, die sich durchaus mit der Konsum- und Habenorientierung des modernen Menschen deckt. Unter diesem Gesichtspunkt wären die Phänomene, die die Objektbeziehungstheorie beschreibt, gar nicht mehr so rätselhaft, machten vor allem nicht die Annahme einer Aufspaltung der Person nötig.

Dipl.-Psych. B.Kuck

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