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Köhler, Thomas: Abwege der Psychoanalyse-Kritik - Zur Unwissenschaftlichkeit der Anti-Freud-Literatur, Fischer Verlag, Reihe Geist und Psyche, Frankfurt/M. 1989, 230 Seiten.


Der Autor lehrt am Psychologischen Institut der Universität Hamburg und hat sich in der letzten Zeit besonders mit dem Werk Sigmund Freuds beschäftigt (wovon der lesenswerte erste Band, "Das Werk Sigmund Freuds", Ffm./M. 1987, beredtes Zeugnis ablegt).
Vor gar nicht langer Zeit (6.Mai) feierten wir den 100. Geburtstag des Begründers der Psychoanalyse, der bis heute seinen Platz als Stammvater der Tiefenpsychologie behauptet. Nun hat es schon immer kritische Einwände gegen die Psychoanalyse gegeben, was ja kein Fehler an sich ist. Die Qualität dieser Kritik jedoch hat nicht unbedingt zugenommen. Daher ist es ein Verdienst Köhlers, solche Kritik überprüft zu haben, wobei er einige besonders bekannte Exponate hervorhebt (Eschenröder: Hier irrte Freud; Eysenck: verschiedene Titel; Masson: Was hat man dir, du armes Kind getan? Zimmer: Tiefenschwindel, um nur einige zu nennen).
Nur auf drei, besonders publikumswirksame "Freud-Kritiker", sei hier kurz eingegangen. E.M. Thornton ("Freud and Cocaine") setzt zu einer Globalkritik an Freud an, indem sie seine Theorie als Ausgeburt eines vergifteten Gehirns (nämlich durch Kokain) darstellt. Dabei kostet es sie nur geringe Mühe, das unbewußte Seelenleben gleichfalls zu eliminieren. Köhler weist der Autorin einige "Kurzschlüsse" nach, etwa wenn sie aus Hysteriekranken, die Freud untersucht hat, Fälle von Temporallappenepilipsie macht. Die 'Kunst der Ferndiagnose' (immerhin liegen fast achtzig Jahre dazwischen) beherrscht die Autorin auch hinsichtlich des berühmten Falles Anna O. Hier habe es sich um einen Fall von tuberkulöser Meningitis gehandelt, wobei Köhler allerdings bestreitet, "daß die von der Autorin angenommenen multiplen Hirnschäden der Patientin (...) zu den von Breuer geschilderten Symptomen und ihrem Verlauf passen" (S. 52).
H.J.Eysenck ("Niedergang und Ende der Psychoanalyse") zitiert Thornton zustimmend, wobei er seine Kritik in den letzten dreißig Jahren stärker polemisiert hat. Würdigte er noch 1956 "das Feuer seines Geistes", so stellt er Freud 1985 nicht mehr Kopernikus und Darwin zur Seite, sondern Christian Andersen und die Brüder Grimm (S. 61). Köhler weist auch diesem, in Fachkreisen wie unter Laien, bekannten Kritiker einige Inkorrektheiten nach, denen man die Gesinnung ablauschen kann. Eysenck benimmt dabei dem Leser die Möglichkeit, die Richtigkeit der von ihm zitierten Textpassagen anderer Autoren zu überprüfen, in dem er, wenn überhaupt, ohne Seitenangabe auf so umfängliche Werke wie Ellenberger ("Die Entdeckung des Unbewußten") oder Sulloway ("Freud - Biologe der Seele") verweist.
Weniger durch dreiste, unbelegte Behauptungen, dafür aber sachlich falsche Wiedergabe der Theorie, tut sich Dieter E. Zimmer ("Tiefenschwindel") hervor. Angeblich entstammen z. B. alle Fehlleistungen unbewußten Motiven, was Freud so nie behauptet hat. Ähnlich problematisch die Aussagen zur Traumtheorie, die durch sinnentstellende Zitate 'belegt' werden.
Genug! Wer sich ausführlicher für diese Auseinandersetzungen interessiert, dem sei Köhlers Buch sehr empfohlen. Man fragt sich allerdings, ob es der Mühe wirklich wert war, sich so eingehend mit der Anti-Freud-Literatur zu befassen. Der Leser, der es noch wagt, Freud im Original zu lesen, wird die tendenziöse Auswahl der Zitate sofort bemerken. Der Laie, der Freud nur aus der Sekundärliteratur kennt (aller Eysenck und Zimmer), wird sich bei der Lektüre des vorliegenden Buches ermüden, ist der Text doch z.T. etwas schwerfällig zu lesen (obwohl der Autor viele zum Vergleich herangezogene Originalzitate in den Anhang verlegt).

Dipl.-Psych. B.Kuck

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