Kennedy, Margrit:
Geld ohne Zinsen und Inflation. Ein Tauschmittel, das jedem dient. Goldmann Verlag ,
8. aktualisierte Neuauflage, München 2006, 267 Seiten
Was interessiert einen Psychologen an einem Buch über Geld,
Zinsen und Inflation? Vielleicht die eigenen Möglichlkeiten,
Geld gewinnbringend anzulegen? Oder die Last von Zins und Tilgung,
nachdem er sich einen Praxissitz gekauft hat? Oder aber die Frage,
wieso es eigentlich notwendig ist, dass eine Wirtschaft ständig
wächst, wachsen muss, damit es uns gut geht? Jedenfalls liegen
einem die offiziellen Wirtschaftsleute – die Politiker sowieso
– permanent damit in den Ohren. Alle Probleme, besonders die
der Arbeitslosigkeit, könnten nur gelöst werden, wenn wir
ein entsprechendes Wirtschaftswachstum erreichen. Unter drei, besser
vier Prozent sei da nichts zu machen. Wenn erst einmal die Wirtschaft
wieder wächst, dann kommen die Arbeitsplätze schon von
selbst. Das hören wir nun schon seit ca. zehn Jahren und die
Arbeitslosenzahlen schwanken zwischen drei und fünf Millionen,
je nachdem, wie sie gezählt werden oder ob sie zwischendrin in
Programmen untergebracht werden, die anscheinend lediglich zur
Schönung der Statistiken beitragen, seltenst zu einem
dauerhaften Beschäftigungsverhältnis. Mit gesundem
Menschenverstand darf man da schon gar nicht herangehen: denn was
muss es für ein gigantisches Wachstum sein, wenn eine so
hochentwickelte Wirtschaft wie die unsere um drei oder gar vier
Prozent wachsen soll?
Das mit der Notwendigkeit von Wirtschaftswachstum habe ich nie
kapiert. Schon deshalb nicht, weil die materiellen Ressourcen unseres
Planeten begrenzt sind. Außerdem erschien mir das ganze als
widernatürlich. Erst mit der Diskussion um ein nachhaltiges
Wirtschaften und um ökologische Überlegungen mußte
ich nicht mehr an meinem ökonomischen Verständnis zweifeln.
Aber selbst ökologisches und nachhaltiges Wirtschaften war in
der Diskussion immer irgendwie an Wirtschaftswachstum gebunden –
sonst könnten wir uns das nicht leisten.
Dass dieses permanente Wachstum mir widernatürlich erschien,
hängt mit meinen Beobachtungen in der Natur, aber vor allem
meinen Kenntnissen aus der Entwicklungspsychologie und der
Psychotherapie zusammen. Exponentielles Wachstum gibt es nur am
Beginn des Lebens. Besonders das physische Wachstum endet beim
Menschen mit dem 21. Lebensjahr, indes er bis dahin – sieht man
mal von der relativen Wachstumspause vor der Pubertät ab -,
gewaltige Entwicklungsschritte vollzieht. Gleiches gilt für die
geistig-seelische Entwicklung. Am Anfang sind die Zuwächse
gewaltig, um dann, wegen der zunehmenden Komplexität, auf einem
Plateau zu verharren, um dann aber in unterschiedlichen
„mathematischen Funktionen“ wieder zu wachsen: gar nicht,
linear oder auch exponentiell. Interessant ist nun, dass es beim
seelisch-geistigen Wachstum eigentlich keine Grenze gibt, sieht man
mal vom Ende des Lebens ab oder natürlich von der physischen
Begrenzung, grundsätzlich oder etwa durch Krankheit. Hat
physisch-materielles Sein das ihm inhärente Plateau erreicht, so
gilt es nur noch den Status zu erhalten. Beim seelisch-geistigen Sein
gilt dies ebenfalls, wobei erhalten des Status eigentlich bedeutet,
seelisch-geistige Fähigkeiten weiter zu trainieren, sozusagen
ein Erhaltungstraining durchzuführen. Geschieht dies nicht,
kommt es sogar zu einem Rückschritt. Das sehen wir besonders
schmerzlich, wenn aus unserem Schulsystem Kinder mit der Vorstellung
entlassen werden, nie mehr lernen zu müssen, wenn sie erst
einmal erwachsen sind. Das bedeutet nicht nur Stillstand, sondern
zunehmende Verdummung.
Im vorliegenden Text wird – auch für den ökonomischen
Laien – nachvollziehbar, wie das kapitalistische Wirtschaften
in den Kollaps führen muss. Dabei ist nicht allein das Problem,
dass „der Kapitalist“ den Mehrwert einstreicht, den der
Arbeiter erwirtschaftet hat (Marx), sondern in viel höherem Maße
entsteht durch die Akkumulation des Kapitals eine Kapitalwirtschaft,
die nur noch auf Geldvermehrung ohne produktive Arbeit abzielt. Zins
und Zinseszins treiben dabei den Preis, den letztlich der Verbraucher
zahlt. D.h. aber auch, dass die Masse der Menschen immer ärmer,
wenige immer reicher werden. Diese Spirale schraubt sich immer weiter
in die Höhe, um dann in regelmäßig wiederkehrenden
Zusammenbrüchen zu pausieren, nur um im alten Stile neu
anzuheben. Grundübel hierbei: es braucht angeblich immer
weiteres Wachstum, ein Wachstum, dass jedoch einzig und allein den
wenigen Kapitalinhabern dient (schwacher Trost ihre emotionale
Verkrüppelung, die immer neue Exzesse benötigt, um noch
etwas zu fühlen). Ein Zusammenbruch mit z.B. einer
Geldentwertung von fünfzig Prozent, bedeutet für ein
Einkommen von 1200 EUR eine Katastrophe; für ein Kapital von
drei Millionen ein Ärgernis.
Interessant an dem Text ist, dass auch Modelle – teilweise
sogar schon in der Erprobung (z.B. in Schweden das J.A.K-System;
Jord, Arbete, Kapital = Land, Arbeit, Kapital) – angeführt
werden, wie ein wirtschaften ohne den Teufelskreis von
Zins/Zinseszins und permanentem Wirtschaftswachstum möglich ist.
Das Buch könnte damit zu einer Fundgrube für die Politiker
werden, die angeblich Reformen durchführen wollen. Es mangelt
ihnen jedoch an langfristigen Konzepten und an Mut. In den hier
vorgestellten Modellen werden regionalisierte Tauschmittel
eingesetzt, die der ursprünglichen genialen Erfindung des Geldes
als Tauschmittel gerecht werden. Interessanterweise profitieren alle
Beteiligten davon. Dies Modell könnte nicht nur für den
Bildungssektor relevant sein (statt Studiengebühren, die wieder
nur „Besserverdienende“ zahlen können), sondern auch
für die pflegerische Versorgung alter Menschen. Es gibt sogar
Modellvorstellungen zur schrittweisen Einführung eines zinslosen
Geldverkehrs, wobei damit eine Bodenreform einhergehen müßte
(auch so etwas, was ich nie wirklich begriffen habe, wie der Mensch
Eigentum an Boden erwerben kann, wo doch der Boden auf unserem
Planeten endlich ist und als Lebensgrundlage allen Menschen
notwendig).
Das kapitalistische Wirtschaften kann am ehesten mit einem
Krebsgeschwür verglichen werden, bei dem exponentielles Wachstum
auf Kosten aller anderen Zellen stattfindet, was letztlich zum Tod
des Organismus führt. „Der unkontrollierte
Vermehrungserfolg der Zelle führt, auf der Triumphstraße
äußerster 'Tüchtigkeit', geradewegs in den Untergang
alles am Gesamtorganismus beteiligten Lebendigen – auch der
Zelle selbst. Diese feiert den Höhepunkt ihres Sieges im
Augenblick des eigenen Untergangs: Sieg und Selbstvernichtung fallen
in eins.“ (S. 163)
Also insgesamt ein sehr interessantes Buch, dessen Lektüre
jederfrau und -man empfohlen sei, die endlich die Idiotie des
herrschenden kapitalistischen Wirtschaftens in einer
nachmarxistischen Zeit verstehen wollen.
Bonn, Juli 2006
Dipl.-Psych.
Bernd Kuck
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