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Hartung, Thomas/Hinze, Eike/Schäfer, Detlef (Hrsg.): Wie viel Richtlinie verträgt die Psychoanalyse? Eine kritische Bilanz nach 50 Jahren Richtlinien-Psychotherapie. Gießen 2016, Psychosozial-Verlag, 139 Seiten.


Sehr differenziert wird die Veränderung einerseits der Richtlinien-Psychotherapie in Bezug auf die Psychoanalyse, andererseits der daraus resultierende Einfluss auf die analytischen Behandlungen dargestellt. Welche Auswirkungen haben die Änderungen in der Richtlinie auf Übertragung, Gegenübertragung, Ausbildung und grundsätzlich den Prozess der analytischen Arbeit, das Ätiologieverständnis? Dies reflektiert Hartung in einer eindrücklichen Fallvignette. In ihrem Spagat zwischen Anpassung an die Richtlinie und Verleugnung von deren Einflüssen auf den Behandlungs- und Heilungsprozess kommt es allzu oft zu einer Korrumpierung der BehandlerInnen. Die Reduzierung auf Symptombehandlung macht aus der ursprünglich „subversiven Psychoanalyse“ ein bloßes Anpassungsinstrument, dass dem gesellschaftlichen Effizienzpardigma folgt. Dem entsprechend ist nur noch von „Störung“ die Rede – und Störungen müssen beseitigt werden. Der emanzipatorische und prophylaktische Wert der Psychoanalyse ist damit schon längst vergeben worden. Dies gilt im Kern auch für die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie. Selbst bei Anerkennung einer Limitierung aus Kostengründen, sollte dies dann so benannt und nicht mit fragwürdigen inhaltlichen Begründungen verbrämt werden. Dies widerspricht dem therapeutischen Grundsatz der Wahrhaftigkeit. Wobei das Kostenargument ebenso scheinheilig ist, macht doch Psychotherapie nur einen verschwindend geringen Teil der Gesamtkosten des Gesundheitssystems aus.

Leider folgen die Gutachter oft einer bloß bürokratischen Argumentation, indem sie analytische Behandlungen so geplant sehen wollen, dass sie der Richtlinie genügen, selbst dann, wenn der Patient nach Abschluss der Kassenfinanzierung die Behandlung weiter zahlen will. Nicht nur das stellt einen Eingriff in die Therapiefreiheit dar, die nicht mit der Limitierung der Leistungen der Krankenkassen begründet wird, sondern mit einer „Neurosen- und Behandlungslehre (…) die mit der Realität seelischer Erkrankungen und den Prinzipien ihrer psychoanalytischen Behandlung nicht vereinbar sind“ (135). Längst schon sind nicht nur analytisch begründete Verfahren von den Restriktionen betroffen. Die jüngsten Änderungen der Richtlinie in Folge des „Gesundheitsverhinderungsgesetzes“ (Satire!) führen diese Tendenz fort. Der Widerstand der gesamten Profession hält sich bislang in Grenzen.

Bernd Kuck      
August 2016

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