Buchholz, Michael B./G�dde, G�nter: Macht und Dynamik des Unbewussten.
Band I:
Auseinandersetzungen in Philosophie, Medizin und Psychoanalyse. Psychosozial-Verlag,
Gie�en 2005, 718 Seiten, geb., 36.00 EUR
Die
Psychoanalyse pr�gt seit 100 Jahren die Besch�ftigung mit Psychologie,
Psychotherapie, Kunst und Kultur. �Das Unbewusste� ist ihr unverlierbarer
Bestandteil, die Annahme unbewusster Seelenanteile geh�rt heute unbestritten
zur conditio humana. Die �Bibliothek
der Psychoanalyse� des r�hrigen Giessener Verlegers Hans-J�rgen Wirth hat
sich zum Ziel gesetzt, die Rolle der Psychoanalyse als wissenschaftstheoretische
Grundlage f�r alle Human- und Kulturwissenschaften weiter zu festigen. Dabei
sollen die ausdifferenzierten Str�mungen der Psychoanalyse zu Wort kommen und
der Dialog mit Nachbardisziplinen intensiviert werden. Gleichzeitig geht es
darum, sich der gemeinsamen Wurzeln in Form von Grundlagentexten zu vergegenw�rtigen.
Diesem ehrgeizigen Unterfangen ist ein weiterer zentraler Baustein hinzugef�gt
worden: Im Fr�hjahr 2005 erschien der 718-Seiten-Sammelband �Macht und
Dynamik des Unbewussten�, der erste Band des auf drei B�nde angelegten
Versuchs, eine Gesamtschau der Auseinandersetzung �ber �das Unbewusste� in
Philosophie, Medizin und Psychologie nachzuzeichnen. Herausgeber sind die
Psychoanalytiker Michael Buchholz und G�nter G�dde.
Das
Unbewusste ist keine Erfindung Freuds, sondern wurde von ihm im 19. Jahrhundert
aus anderen Feldern in seine Psychoanalyse eingebaut. Schon damals tobte der
Streit �ber Bedeutung und Inhalt des Unbewussten, ein Konzept, das sich gegen
eine allzu optimistische Sicht auf eine m�glicherweise �berbewertete
Rationalit�t des Menschen wandte. Als Abstraktum konnte sich der Begriff
freilich nicht gegen willk�rlich erscheinende Deutungen zur Wehr setzen; der
historische Blick auf die Wandlungen des Begriffs - vorgenommen von G�nter G�dde
1999 in �Traditionslinien
des 'Unbewussten'�
� l�sst den Leser verwirrt zur�ck; jeder durfte sich zum Thema etwas
ausdenken und fast schon beliebig verwenden.
Immerhin,
durch Freud wurde es zum Zentralbegriff der Psychoanalyse und der
Tiefenpsychologie. Die Aporie, etwas (absolut) Unbewusstes bewusst machen zu k�nnen,
ist nur ein winziger Ausschnitt aus der anhaltenden Debatte um diesen wenig
greifbaren Gegenstand, �ber den sich so trefflich spekulieren l�sst. 718
Seiten f�r einen ersten Band scheint da nicht zu wenig zu sein, zwei weitere
B�nde sollen folgen: �Das Unbewusste in aktuellen Diskursen � Anschl�sse�
(Herbst 2005) und �Das Unbewusste in der Praxis � Erfahrungen� (Fr�hjahr
2006).
Die
Beitr�ge des 1. Bandes zeigen, welche vor-freudschen Wurzeln das Unbewusste in
der (auch au�ereurop�ischen) Philosophie, Medizin und Psychologie hat,
beschreiben die Entwicklungen des Begriffs durch und nach Freud und zeigen, wie
sehr das Unbewusste in den Nachbarwissenschaften und l�ngst in der empirischen
Psychotherapieforschung als selbstverst�ndlich angenommen wird. Seine
Urspr�nge liegen in Romantik ("Lebenskraft") und Aufkl�rung, stark
tangiert werden Konzepte von "Geist" und "Willen", es
erfolgte die Dienstbarmachung f�r Medizin, Psychologie und Psychotherapie
(zun�chst in Magnetismus und Hypnotismus) und es erf�hrt unvermindert
Wertsch�tzung in der gegenw�rtigen Tiefenpsychologie.
Die
neue Psychologie des Unbewussten umfasst Kognition, Sprache und Sprechen,
Neurowissenschaft und Baby-Watching (ein Teil davon wird erst in Band II und III
behandelt). "Riesig ist das Territorium, verzweigt die Fl�sse und Str�me,
fruchtbar die Auen und tief die S�mpfe", seufzen die Herausgeber im
Vorwort. Das Projekt in seiner ausgreifenden Art ist zu bewundern, und der Preis
zumindest des ersten Bandes ist so niedrig kalkuliert, dass Interesse �ber den
engen Kreis der Psychoanalytiker hinaus geweckt werden kann. Der Inhalt
jedenfalls spricht f�r eine weite Verbreitung, werden doch Schopenhauer und
Nietzsche, Fechner und Janet, Freud und A.Adler, Jung und Ferenczi, Rank und
Lacan, Kohut und M.Klein, Bion und Bollas zitiert und ausgearbeitet. Als
Individualpsychologe freue ich mich besonders �ber den Betrag "Die Einheit
von bewusst und unbewusst in der Theorie Alfred Adlers" von Almuth
Bruder-Bezzel.
Dr.G.Mackenthun
Berlin, Mai 2005
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