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Bukowski Helene: Die Kriegerin. Roman. Blumenbar im Aufbau Verlag, 2022


Vorsicht Trigger!

Der Roman könnte auch die Kriegerinnen heißen, geht es doch um Erfahrungen von Frauen, die auf verschiedene Weisen mit ihrer Situation als Frau, die immer noch Objekt in einer überwiegend männlich dominierten Welt ist, zurecht zu kommen oder fertig zu werden versuchen. Im Zentrum steht allerdings die Beziehung zweier Frauen, die gemeinsam die Grundausbildung bei der Bundeswehr absolvieren und sich hier zusammenschließen, ihre Zuneigung nur verschlüsselt mitteilen können. Lisbeth, die von Kindheit an von einer Neurodermitis geplagt ist, Florentine (die Kriegerin), die sekundär, transgenerational traumatisiert ist, versuchen beide sich abzuhärten, zu stählen, unverletzlich zu werden. Lisbeth erfährt dann in der Bundeswehr sexuelle Gewalt, die sie aus angenommenem Schuldgefühl nicht anzeigt (sie hat sich nicht gewehrt und will doch Soldatin werden, was ihr der Vergewaltiger noch zum Vorwurf macht). Sie quittiert den Dienst, kehrt in ihren erlernten Beruf als Floristin zurück. Mit einem einfühlsamen Mann hat sie ein Kind, kann jedoch über ihre traumatische Erfahrung nicht sprechen, versucht aus ihrem Leben zu fliehen, immer wieder an den einzigen Ort ihrer Kindheit, an dem sie von der Neurodermitis Ruhe findet. Oder auf einem Kreuzfahrtschiff als Floristin Heilung zu suchen. Dabei trifft sie allerdings auf einen im Kriegsdienst traumatisierten Koch, der doch „nur“ kochte – sich schließlich über die Reling stürzt, nachdem auch Alkohol ihn nicht vom Trauma befreit hat.

Ihre Freundin, die Kriegerin, wird in den Einsätzen u. a. in Mali und Afghanistan selbst zur Täterin und durch dass, was sie dort zu sehen bekommt, aktual traumatisiert. Exzessives Körpertraining soll auch hier darüber hinweg helfen. Der Schluss des Romans ist eigentümlich überflüssig, fasst schon kitschig und hätte den Leser:innen erspart bleiben können. Aber vielleicht ist es auch der Wunsch gewesen, irgendwie noch etwas Versöhnliches, Heiles ins Bild zu rücken. Sonst zeichnet sich der Roman durch subtile Schilderungen aus, die die vorherrschende Sprachlosigkeit in beredter Weise erfahrbar macht.

Als männlicher Leser ist mensch betroffen von der Gewalt gegen Frauen und kann nicht leicht ein Fremdschämen vermeiden, zum männlichen Geschlecht zu gehören; der Zorn wächst dabei ebenfalls. Als Psychotherapeut ist mensch beeindruckt von der subtilen Schilderung des traumatischen Erlebens und den Folgen mit seinen Albträumen und Flashbacks, den Versuchen, dem Trauma zu entkommen; dabei zeigt sich wieder einmal, dass nicht nur angehende Psychotherapeut:innen der Romanliteratur viel Aufmerksamkeit widmen sollten, lernen sie gerade hier durch die Kunst der Darstellung mehr über Traumata als in Lehrbüchern. Es handelt sich nicht eigentlich um einen Antikriegsroman; zornig macht mensch der Irrsinn kriegerischer Handlungen und die dazu notwendige Verrohung und Leibfeindlichkeit in der Ausbildung, kommen jedoch immer wieder ans Licht. Und wenn mensch bedenkt, wie viel schon gegen den Krieg angeschrieben wurde, und was sich gerade in der Ukraine ereignet, und wie schnell die politische Kaste in Kriegsrhetorik sich ergibt, nur noch von Waffenlieferungen die Rede ist, kaum noch von Überlegungen, wie der Konflikt auf andere Weise beigelegt werden könnte – dann wird der Roman doch zu einer Dystopie, in der die Vorbereitungen für den Untergang der Menschheit anklingen, zu deren wesentlichem Teil auch die Sprachlosigkeit und die Orientierung am Maschinenhaften, dem Wahn der Unverletzlichkeit und der Verdinglichung des Lebendigen beitragen. Als Psychotherapeut ist das Dilemma spürbar, den traumatisierten Soldat:innen hilfreich sein zu wollen, zugleich dann aber den Irrsinn zu unterstützen, weil sich ja Traumafolgestörungen behandeln lassen. So wird der Schluss des Romans eben möglicherweise doch von dem Wunsch getragen, dass wo Verzweiflung ist auch die Hoffnung wächst.

Bernd Kuck      
Dezember 2022

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Die Kriegerin

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