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Reuter, Elisabeth: Gehirn-Wäsche. Macht und Willkür in der "systemischen Psychotherapie" nach Bert Hellinger, Antipsychiatrieverlag, Berlin 2005, Taschenbuch, 234 S.


"Es war 1953. Wir wohnten seit kurzem in einer Kleinstadt mitten in der Lüneburger Heide. Das Arbeitszimmer meines Vaters ließ kein Geräusch nach außen dringen, auch nicht das lauteste Weinen von uns Kindern, was bei väterlichen Strafaktionen nützlich war ..."

Die kleine Elisabeth wird 1945 in eine Familie hineingeboren, in der der Vater nicht nur ein Tyrann ist. Nein, das wäre zu verniedlichend ausgedrückt. Sie selbst sagt: "Er war ein Meister der Gewalt". In der Tat! Systematisch und auf grausame, hinterhältige Weise zerstört er alles, was der Tochter etwas bedeutet, denn er ist davon überzeugt, dass man spätestens bis zum dritten Lebensjahr den Willen eines Kindes gebrochen haben sollte...

Schon nach den ersten Seiten, auf denen man solche Ungeheuerlichkeiten erfährt, spürt man eine heftige innere Empörung beim Lesen. Man fragt sich, wie ein Kind, das solch einem ausgekochten Sadisten ausgeliefert ist (die Mutter hilft - wie so oft - nicht), eine derartige Zurichtung überleben kann?

Doch nach der Zurichtung im eigenen Heim beginnt eigentlich erst der schwierige Weg eines Menschen, der obendrein besonders begabt und sensibel ist. Elisabeth Reuter ist heute eine große Künstlerin. Ihre Zeichnungen, Bilder und Illustrationen drücken oftmals mehr aus, als noch so viele Worte es jemals könnten. Und: Sie sind voller Wärme und Liebe!

Dass sie sich all das erhalten konnte, kann man kaum glauben, wenn man in diesem Sachbuch - das aber auch ein autobiographischer Tatsachenroman ist - weiterliest. Elisabeth braucht nämlich an einem Punkt ihres Lebens Hilfe. Dringend. Und das erkennt sie von alleine. Zwar ist der sadistische Vater zum Glück gestorben, als sie 12 Jahre war, doch seine Stimme, das Gemurmele in ihr, geht weiter. Wieder und wieder wird das Kind, die Jugendliche, die erwachsene Frau eingeholt von Bildern und Erfahrungen aus der Vergangenheit und eben dieser Stimme.

Es folgt ein steiniger Irrweg, auf dem sie Therapeuten und Ärzte als ängstliche, hilflose "Helfer" erfahren muss, die lieber Medikamente verabreichen, als sich auf einen Menschen einzulassen. Doch sie gibt nicht auf und sucht weiter. Endlich scheint sie einen Therapeuten gefunden zu haben, der keine Angst hat. Wie erleichtert sie gewesen sein muss. Zunächst...

Dass sie an einen Hellinger-Jünger geraten ist - und damit vom Regen in die Traufe kam - bekommt sie trotzdem irgendwann heraus. Was dieses Individuum derweil mit ihr anstellt, an ihr verbricht, ist ohne Worte.

Der Höhepunkt ist sicherlich, dass er das Kind - Elisabeth - für die sadistische Gewalt des Vaters verantwortlich macht! Aber damit nicht genug: Er schickt sich an, sie u.a. mit Hypnomethoden zu "heilen". Seine "Diagnose": Sie sei definitiv vom Vater missbraucht worden. Elisabeth kann sich zwar nicht erinnern, doch der "Therapeut" lässt nicht locker. Er will sie mit allen Mitteln davon überzeugen. Dass man einen Menschen damit umbringen kann, scheint ihm offensichtlich egal zu sein...

Wer die Grundlagen der Lernpsychologie studiert hat, wird bei der weiteren Lektüre innerlich durchgeschüttelt. Von bewusst geschaffenen Double-Bind-Situationen über intermittierende Verstärkung bis hin zu zahlreichen Grenzüberschreitungen (er klingelt sogar bei ihr zu Hause!) ist beinah alles zu finden. Zum Unwohle der Klientin!

Das Buch trägt in der Tat nicht umsonst den Titel "Gehirn-Wäsche".

Was der Mann sonst noch so anstellt, liest sich wie aus einem Handbuch für gezielte psychologische Folter.

Unvorstellbar, dass Krankenkassen "Hellingersche Therapien" dieser Couleur bezahlen und manche Priester es betreiben (dürfen!). Im Grunde sind das Sekten"philosophien", moderne Versionen der "Teufelsaustreibung", wo Opfer zu Täter/innen (angebliche "Racheengel") und Täter zu Opfern deklariert werden. Das Ziel ist in jedem Falle gleich: Die Exekution der Seele eines Menschen. Und das ist ein Verbrechen.

Dabei ist das kriminelle Verhalten solcher "Therapeuten" mehrfacher Art. Sie schädigen ja nicht nur eine/n "Patienten/in", sondern auch dessen oder deren gesamtes Umfeld. Sie schädigen auf unverantwortliche Weise den Ruf der guten und seriösen Therapeut/innen und verschrecken gleichzeitig Menschen, die vielleicht dringend Hilfe benötigen.

Das Nachwort von Professor Klaus Weber, der das faschistoide Gedankengut solcher "Therapien" aufs Korn nimmt, gibt den letzten Gruseleffekt an die Leser/innen weiter. Weber schließt mit den Worten:

"Möge das Buch denjenigen eine Hilfe sein, die sich selbst aus krank und unglücklich machenden Bedingungen befreien wollen, mögen diese in Form Hellingerscher Psychotherapieangebote oder sonstiger Abhängigkeitsverhältnisse auftreten."

Dem kann man sich nur anschließen. Und möge diesen Scharlatanen endlich das Handwerk gelegt werden!

Vor der Autorin sollte man den Hut ziehen. Für ihren Mut und ihr Durchhaltevermögen, denn beim Schreiben dieses Buches dürfte sie erneut Qualen gelitten haben. Doch wer sie kennt, darf freudig staunen: Diese Frau ist ein höchst lebendiger Mensch geblieben - mit einem Kreativpotenzial, das all ihre Fans immer wieder in Verzückung geraten lässt. Zu Recht.

Danke, liebe Elisabeth. Ich wünsche Deinem Buch einen Platz auf der Topseller-Liste. So könnten viele Menschen vor dem bewahrt werden, was Du erdulden musstest.

Ich danke auch für Dein Vertrauen mir gegenüber, "obwohl" ich ja eine Psychologin bin...

August 2004
© Monika Gerstendörfer

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Reuter
Gehirn-Wäsche

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