Jenny Zoë : Das
Blütenstaubzimmer. Lizensausgabe für die Büchergilde Gutenberg,
(jetzt bei Cornelsen), 1998, 124 Seiten.
Ein emotional halb verhungertes, junges, weibliches Wesen
geht beinahe verloren – auf einer Parkbank im beginnenden Winter. Gemeinsam
mit zwei fremden, sie misstrauisch beäugenden, alten Frauen, wartet die Icherzählerin Jo auf die Decke aus
Schnee.
Die Protagonistin beschreibt ihr Schlittern durch Kindheit
und Jugend, was überwiegend aus Angst, Schmerz und Schrecken, Albträumen und
Beziehungsabbrüchen besteht. So der Abbruch von der Mutter, die eines Tages die
Familie (Ehemann und kleine Tochter) verlässt und ein paar Straßen weiter
zieht und trotz der geregelten Besuchszeit keine tatsächlichen
„Beziehungszeichen“ von sich gibt. Später zieht sie in eine andere Stadt,
in ein anders Land, bewahrt dort die Kinderschuhe für die Zwölfjährige auf,
die sie ihr eigentlich schicken wollte, wie die Protagonistin später erfährt.
Diese Mutter – halb psychotisch, halb pubertär - ist ebenso wenig
strukturgebendes Vorbild für die junge Jo, wie der gutmütige, „rührend-hilflos“
anmutende Vater, der sich und die Tochter mit Nachtarbeit über Wasser hält, um
seine Bücher im Selbstverlag drucken zu können, was allein die beiden nicht
ernähren würde. Die Ängste, die Not der Tochter kriegt der in sich selbst
Vergrabene und hinter der Zeit Herlaufende nicht so recht mit.
Die Autorin liefert an Hand der Geschichte der
Protagonistin einen Spiegel der Gesellschaft, in der zum Teil die
Elterngeneration überfordert, in sich selbst verstrickt, mit
„Selbstverwirklichung“ (was auch immer das ist) beschäftigt ist und auf der
Suche „nach sich selbst“ und den Träumen nach „ewiger Jugend“ (die
Mutter), nach „mütterlicher Geborgenheit“ (der Vater) immer wieder „ein
neues Leben“ ausprobiert, wobei die Kinder auf der Strecke bleiben, wo
Vermittlung von sozialen Werten und Beziehungsqualitäten zugunsten materieller
Abfütterung zu kurz kommen und die emotional verlorenen und verwahrlosten
Kinder sich durch das Gestrüpp der Orientierungslosigkeit schlagen.
Vom klinischen und soziologischen Gesichtspunkt aus gesehen
ein interessantes Buch. Täglich frequentieren junge Erwachsene mit ähnlichen
Lebensläufen u.a. die psychotherapeutische Praxis.
Die literarische Qualität dieses Debütromans der Autorin
konnte die Rezensentin nicht erkennen. Außer dass es keine chronologisch
abgefasste Geschichte ist, sondern assoziativ durch die Handlung – durch den
schmerzhaften Prozess der Ablösung von den Eltern – führt. Mit den vielen
Beobachtungen am Rande, in denen sich die verlorene Stimmung der Protagonistin
(der Autorin ?) widerzuspiegeln scheint, wirkt er überfrachtet und überfüttert.
Weniger wäre mehr gewesen. Hier wurde die Leserin an skizzenhafte Beobachtungen
in einsamen Momenten erinnert, die nun alle in den 124 Seiten Platz finden müssen.
Es bleibt der Eindruck, dass Das Blütenstaubzimmer
für die Autorin ein Akt des Sich-von-der-Seele-schreibens bedeutete, um noch
rechtzeitig der winterlichen Parkbank bzw. dem Beziehungswinter zu entkommen, um
nicht selbst unter die weiße Decke
zu geraten, die das hinter ihr liegende „gnädig“ zudeckt und um den eigenen
Weg in die Welt des Erwachsenenlebens zu finden. Wir wünschen ihr viel Erfolg.
Aber ein großer Roman ist es nicht.
Ingritt Sachse
April 2003
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Das
Blütenstaubzimmer.
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"unserem" Steuersäckel, was theoretisch eine
Investition in Bildung und Erziehung ermöglichen würde.
In Bonn-Bad Godesberg z.B. in der
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