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Weisman, Alan: Countdown. Hat die Erde eine Zukunft?, 573 S., Piper Verlag, München 2013


Alle viereinhalb Minuten wächst die Erdbevölkerung um eine Million Menschen, pro Jahr sind es 80 Millionen. Das klingt nicht wirklich zukunftsfähig. Das Tempo der Vermehrung hat sich zwar verlangsamt, aber um 2050 wird mit neun bis zehn Milliarden Menschen auf diesem Planeten gerechnet, eine Schätzung der United Nations Population Division. Sie alle produzieren Abfall, stoßen Kohlendioxyd aus, brauchen Nahrung, Brennstoff, Wohnraum und eine Vielzahl von Dienstleistungen. Sie brauchen Elektrizität, um ihre Handys aufzuladen und den unvermeidlichen Fernseher laufen zu lassen. Der CO2-Ausstoß nimmt unaufhörlich zu.

Alan Weisman, amerikanischer Wissenschaftsjournalist, veröffentlichte vor wenigen Jahren den Bestseller Die Welt ohne uns. In diesem Buch verdeutlicht er den Einfluss des Menschen auf die Natur und wie sich die Natur nach dem Ende der Menschheit vermutlich regenerieren wird. Auch das Buch Countdown beschäftigt sich mit der Bevölkerungsexplosion. Weisman schreibt: "Entweder beschließen wir, das Bevölkerungswachstum in den Griff zu bekommen - oder die Natur wird es für uns tun, in Form von Hungersnöten, Windows, Klimachaos, zusammenbrechenden Ökosystemen und Kriegen um schwindende Ressourcen, die unsere Zahl schließlich dezimieren."

Dies ist allerdings kein Buch mit Statistiken oder Tabellen. Vielmehr berichtet Weisman von Reisen in insgesamt 21 Länder der Erde. Dort traf er viele Menschen, vornehmlich Ökologen, Sozialarbeiter und Bevölkerungswissenschaftler, und er lässt sie sprechen. So entsteht ein widersprüchliches Kaleidoskop von Meinungen und Fakten. Die Situation in den Ländern ist äußerst unterschiedlich; es gibt kein Rezept zur Dämpfung des Bevölkerungswachstums, welches auf alle passen würde. In einigen Staaten sind die Programme zur Geburtenkontrolle und zu kostenlosen Abtreibungen gut aufgenommen worden.

Das Haupthindernis auf dem Weg zu einer stabilen Weltbevölkerungszahl sind orthodoxe Geistliche jedweder Kirche. Ihr Kampf gegen die Selbstbestimmung der Frau, gegen freien Zugang zu Verhütungsmitteln und straffreie Abtreibungen kann nicht anders als verbrecherisch bezeichnet werden. Es gibt aber auch ein Paradox, welches lautet, dass der technische Fortschritt entscheidend zum Bevölkerungsanstieg beiträgt. Die Anstrengungen der WHO und vieler Staaten, die Malaria zu bekämpfen, wird die Bevölkerung in vielen Ländern der Erde weiter ansteigen lassen. Paul Ehrlich, ein Gynäkologe der Stanford University, veröffentlichte 1969 das Buch Die Bevölkerungsbombe. Zu diesem Zeitpunkt betrug die Bevölkerungszahl 3,5 Milliarden - die Hälfte von heute. Er sagte Hungersnöte voraus, an denen innerhalb eines Jahrzehnts Millionen von Asiaten sterben würden. Dazu kam es nicht. Fortschritte in der Landwirtschaft verbesserten die Nahrungsversorgung. Es gibt Möglichkeiten, die Erträge von Nutzpflanzen zu steigern, doch dazu ist Grüne Gentechnik nötig. Der Kampf grüner Politiker gegen die Grüne Gentechnik bedeutet, dass mehr Menschen hungers sterben als nötig. Indirekt sind sie für den Tod vieler Menschen verantwortlich.

Im Westen wird die Ein-Kind-Politik Chinas kritisch gesehen oder abgelehnt, weil mit staatlichem Zwang durchgesetzt. Die Ein-Kind-Kampagne begann 1978. Trotz der staatlich verordneten Bremse stieg die Einwohnerzahl des Landes 2012 etwa alle sieben Wochen um eine weitere Million an. Ohne die Ein-Kind-Politik hätte China heute etwa 400 Millionen Menschen mehr zu ernähren. Gegenwärtig sind es 1,3 Milliarden. Die meisten Chinesen würden die Notwendigkeit dieser Politik einsehen, obwohl Länder wie Italien, Spanien, Hongkong, Singapur, Japan und Taiwan niedrigere Fruchtbarkeitsraten ohne Ein-Kind-Politik haben.

Wir drücken uns um das Wort Zwang herum, sagt Weisman. Es ist ja nicht nur die wachsende Bevölkerungszahl das Problem, sondern der übermäßige Konsum. Was würde es bedeuten, auf all den Plunder zu verzichten, den uns die Industrie mit viel Erfolg andreht und worauf so viele Menschen begierig zugreifen? Doch die Vorstellung, eine relevante Zahl von Menschen würde ihren Konsum drosseln, ist reines Wunschdenken. Nahezu jede Wirtschaftsform, die die Menschen bisher entwickelt haben, war und ist auf Wachstum angelegt. Was würde es bedeuten, weniger Häuser, weniger Autos und weniger Straßen zu bauen?

Aber wird von Wissenschaftlern nicht die Ansicht vertreten, dass es genügend Lebensmittel gibt, die nur gerechter verteilt werden müssten? Abgesehen davon, dass es nicht nur um Lebensmittel geht, sondern auch um Wohnungen, Ausbildungs- und Arbeitsplätze, Heizung, Kultur, Mobilität und Krankenversorgung: Dazu müsste eine ungeheure Logistik entfaltet werden, die die Menschen in den entlegenen und eigentlich nicht bewohnbaren Gegenden künstlich am Leben erhält und viel Energie verschlingt. Bei Verzicht auf Fleisch könnte viel mehr Getreide und pflanzliches Protein gewonnen werden, doch die aufstrebenden Länder verlangen nach tierischem Eiweiß. Um Wasser zu gewinnen, muss Meerwasser entsalzt werden, was enorme Mengen Betriebsstoff verbraucht.

Um die Geburtenrate auf die einfache Reproduktionsrate von ungefähr 1,8-2 Kindern pro gebärfähiger Frau zu senken sind einfache Mittel vorhanden: Verhütungsmittel und sanfte Abtreibungsmethoden; größere Abstände zwischen den Geburten und längere Stillzeiten. Mit diesen Instrumenten werden Berechnungen zufolge jährlich 218 Millionen ungewollte Schwangerschaften, 138 Millionen Abtreibungen, 25 Millionen Fehlgeburten und 118.000 Todesfälle von Müttern durch Komplikationen bei der Geburt oder durch Abtreibungen in Hinterzimmern verhindert. Mit anderen Worten, die Familienplanung in den Entwicklungsländern verhindern jährlich 55 Millionen ungewollte Geburten. Um allen Frauen den Zugang zu kostenlosen Verhütungsmitteln und Abtreibungen zu gewährleisten, wäre nicht mehr Geld nötig als das, was die USA derzeit pro Monat im Irak oder in Afghanistan ausgeben.

Haben genügend Menschen den Willen und die Weitsicht, Entscheidungen zum Wohl von Nachkommen zu treffen, die wir nie kennen werden? Wenn die Menschheit gemeinsam mit der Bevölkerungszahl nicht auch den Konsum reduziert, sind unsere Bemühungen vielleicht vergeblich, sagt Weisman. Die Lösung des Bevölkerungsproblems liegt in erheblichem Maße darin, eine Welt zu schaffen, in der Frauen völlig gleichberechtigt sind.

Dr. Gerald Mackenthun
Januar 2014

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