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Kaminski, Katharina/Mackenthun, Gerald (Hg): Individualpsychologie auf neuen Wegen, Würzburg 1997, 250 Seiten.



Der Titel verspricht, neue Wege der Individualpsychlogie zu beschreiten. Wenn man die sonstige Literatur zu dieser Richtung innerhalb der Tiefenpsychologie einigermaßen kennt, dann liegt hier tatsächlich etwas Neues vor.
Zunächst wird an die Adlersche Tradition angeknüpft, verständlich und aufklärerisch zu sprechen. In diesem Falle in Vorträgen, die an der Lessing Hochschule in Berlin gehalten wurden, wo auch schon Adler in den 20er Jahren lehrte. Teilweise erschienen die Texte bereits in der Zeitschrift „miteinander leben lernen“, sind hier aber noch durch Fragen aus der Zuhörerschaft und deren Beantwortung ergänzt. Mit Adlers Werk waren und sind große Schwierigkeiten verbunden. Er scheint leicht zu verstehen, was ihm immer wieder den Vorwurf der „Unwissenschaftlichkeit“ eintrug. Die „offiziellen“ Adlerianer haben sich daher schon lange bemüht, aus Adler einen Psychoanalytiker zu machen, wobei die besten Seiten seiner Lehre einigen Schaden erlitten. Die hier versammelten Autorinnen und Autoren bemühen sich hingegen, die „poetische Wissenschaft“ (Walter Kaufmann) Adlers in den Bereichen Erziehung, Aufklärung und Psychotherapie anschaulich herauszuarbeiten. Damit sind sie Josef Rattner besonders verpflichtet, der diese Linie in Adlers Werk seit Jahrzehnten vertritt und eine biographische Skizze zum vorliegenden Text beisteuerte.
Adlers Lehre ist aber nicht nur „poetische Wissenschaft“, sondern hat starke philosophische Implikationen und verfolgt eine Ethik, die sich im Begriff des oft mißverstandenen und schwer zu verstehenden Gemeinschaftsgefühls niedergeschlagen hat. Adlers Psychologie wird als eine Wertpsychologie deutlich, worin sie sich als wahrhaft ethisch, ja sogar als angewandte Tugendlehre erweist. In der unauflöslichen Einheit von Selbst- und Menschenkenntnis hat sie zumindesten das Zeug dazu, nicht zu einer scheinheiligen Morallehre zu verkommen. Die AutorInnen arbeiten die Begriffe verständlich und nachvollziehbar heraus und exemplifizieren sie an historischen Personen oder literarischen Figuren. Da finden sich eher skurile Gestalten (Gottfried Christoph Beireis), aber auch mutige Frauen (Paula Modersohn-Becker, Marie v. Ebner-Eschenbach). Die Begriffe Widerstand und Verdrängung werden in ihrer anthropologischen Bedeutung gezeigt. Sie lassen sich nicht auf die Verdrängung libidinöser und aggressiver Triebe reduzieren, sondern sind wesentlich im Hinblick auf die sozialen Aufgaben, die noch an jeden Menschen gestellt sind. Ein Gesichtspunkt, der in der heutigen narzißtisch, egozentrischen Epoche von eminenter Bedeutung ist.
Daher wird für eine Zusammenführung von Psychotherapie und Wertphilosophie plädiert, was sich in einer umsichtigen Handhabung einer philosophischen Ethik im therapeutischen Prozeß niederschlagen sollte. Das Moralische versteht sich eben nicht von selbst (Freud).
Angenehm ist ebenfalls, daß nicht nur von Pathologie die Rede ist. Es werden auch Charakterstudien von Menschen einbezogen, die einen Beitrag zur Kultur leisteten, die nun eben nicht lediglich auf krankhafte Triebanomalien reduziert werden, sondern als Strebende, als Überwinder menschlicher Lebensprobleme erscheinen. Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt nicht auf dem „Nichts-als“, sondern Leben und Lebensläufe werden als Anstrengungen zur Lösung von Problemen dargestellt, die sich in Werken niederschlagen.

Dipl.-Psych. B.Kuck

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