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Hüther, Gerald: Biologie der Angst, Sammlung Vandenhoeck, Göttingen 1997, 2. Auflg. 1998, 130 Seiten


Die Hirnforschung, Wissenschaft des 21. Jahrhunderts, bringt so manches an den Tag, was natürlich auch die Psychologie verändern wird. Gerald Hüther, Hirnforscher mit Freude an der Arbeit, hat von dieser Freude etwas an seine Leser weitergegeben. Schon die Aufteilung des Buches in "Kleingedrucktes", worin eher Wissenschaftliches in einer Sprache, die manchmal "schwerfällig" ist (nicht bei Hüther!), und "Normallettern", in denen ein gut verständlicher Text für Laien daherkommt, ist ansprechend und versucht den Leser mitzunehmen. Auch läßt es sich Hüther nicht nehmen, die Kapitel mit einem Dichterwort einzuleiten, so dass er bereits in der Äußerlichkeit seinem Anliegen nachkommt, die Fronten zwischen den Lagern zu überwinden. Hüther möchte eine Brücke schlagen zwischen den Natur- und Geisteswissenschaften, was ihm gut gelungen ist. Ein ansprechender Text, der Freude beim Lesen bereitet und dabei immer informativ ist.

Die Grundgedanken sind in etwa folgende:
Die Entwicklung des Nervensystems, in Sonderheit des Gehirns, vollzog sich ganz im Sinne der Thesen Darwins. Kleinere Veränderungen führten zu größerem Erfolg der Art, vor allem aber zu größerer Flexibilität in der Antwort auf die Vorfindlichkeiten der Umwelt. Im Gehirn entstanden Bahnungen, die sich zu festen Verhaltensmustern fügten und so das Überleben sicherten. Entscheidender Beweger ist dabei die Angst, bzw. der darin zum Ausdruck kommende Streß.
Auf den Menschen bezogen gab es in der phylogenetischen Entwicklung eine besondere Veränderung in der Hirnorganisation. Nicht nur entstehen Bahnungen lebenslänglich - was die physiologische Erklärung der potentiell lebenslangen Lernfähigkeit des Menschen darstellt -, sondern sie können auch wieder aufgehoben werden - was die Voraussetzung für Umlernprozesse ist. Bahnungen wie deren Auflösung haben als Motor den Streß, wobei Hüther vorrangig dem Dysstreß Bedeutung zumißt, womit er sich philosophisch Martin Heidegger nähert, der die entscheidende Erkenntnisstimmung in der Angst sah. Ihm hielt schon Friedrich Bollnow entgegen, dass mindestens ebenso förderlich die Stimmung der Freude sei. Jedenfalls muß ein vehementes Interesse bestehen, um Gebahntes im Gehirn hervorzubringen oder zu verändern.
Es läßt sich nun auch anhand hirnphysiologischer Experimente belegen, dass bei vergesellschafteten Tieren (biologisch gehört der Mensch zu ihnen) das beste Mittel gegen Angst die Nähe eines anderen darstellt. Dabei muß sie beim Menschen nicht faktisch sein (wie im Affenexperiment), sondern kann auf einem Wissen oder einer phantasmatischen Verbundenheit gründen. D.h. die beste "Beruhigungspille" ist die mitmenschliche Verbundenheit, wenngleich natürlich der andere auch zum Stressor werden kann.
Hüther greift mit seinem Modell weit in gesellschaftliche Zusammenhänge ein, wobei er nie in platten Biologismus verfällt, sondern den anderen Wissenschaften ihren Platz läßt, gleichsam die physische Basis zur Verfügung stellt. Der Mensch ist, auch physiologisch, das lernfähigste Tier. Zwar hat er genetische Determinanten, aber sehr viele Bahnungen geschehen in der Interaktion mit der Umwelt, die für den Menschen eben eine Welt ist. Daher ist Hüther denn auch kein Verächter der Erziehung. Vielmehr plädiert er z.B. dafür, mit dem nötigen hirnphysiologischen Wissen einem Kleinkind nur abzuverlangen, was es aufgrund seiner physiologischen Voraussetzungen bewältigen kann. Wird der Streß nämlich zu groß, werden die hirnphysiologischen Voraussetzungen für Dummheit geschaffen.
Freud wäre mit der Arbeit von Hüther sicher zufrieden, da es den Anschein hat, als wären wir der physiologischen Basis menschlichen Erlebens näher gekommen. Hüther verdeutlicht zwar, dass alle unsere Gefühle eine körperliche Grundlage haben, macht aber ebenso deutlich, dass sie in der Interaktion mit Mitmensch und Welt entstehen. Die Interaktion formt dabei die Hirnfunktion - nicht umgekehrt, wenngleich individuelle Unterschiede von Geburt an bestehen, die Leistungsfähigkeit des biologischen Systems die Grenzen des Möglichen ausmacht. Und selbst die werden gelegentlich gesprengt.

Dipl.-Psych. B.Kuck

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