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Freese, Hans-Ludwig: Kinder sind Philosophen, 170 Seiten, Weinheim/ Berlin 1989, Quadriga Verlag


Nicht nur unter Psychologen ist Freuds Staunen darüber bekannt, daß Kinder bis zum Eintritt ins Schulalter ihre Lebendigkeit und ihr Interesse an allem in der Welt Begegnenden verloren haben. Freud führte dies u.a. auf die drei Denkhemmungen zurück, die den Kindern früh eingepflanzt werden: die autoritäre, die sexuelle und die religiöse. Was an Neugierde und Lebendigkeit übrig blieb, dem wird im Schulunterricht, in dem die Kinder mit entseeltem Wissen überfrachtet werden, der Garaus gemacht.

H.-L. Freese kann zeigen, daß bereits mit Kindern tiefsinnig philosophiert werden kann, wenn der Erwachsene sie als gleichwertiges Gegenüber annimmt und selbst nicht von Denkhemmungen blockiert ist. Kinderfragen stoßen oft genug in Bereiche der menschlichen Existenz vor, über die sich der durchschnittliche Erwachsene keine Gedanken mehr macht: Etwa das Gewahrwerden seiner selbst und die Frage, ob man denn wirklich existiere. Ist die Welt auch noch da, wenn ich nicht mehr da bin? Bin ich nicht mehr da, wo bin ich dann? Was ist das Nichts, der Tod? Wenn Gott alles geschaffen hat, wer hat dann ihn geschaffen? Ebenso bedeutsam sind Gespräche über Träume, Tiere und Pflanzen, Ich, Selbst, Identität, Andere, Computer, Sprache, Glück und richtiges Leben, Zeit, Was soll ich tun? - Themen gibt es reichlich. Sie entstehen sowohl aus spontanen Fragen der Kinder, wie aus vorgegebenen Geschichten, Anekdoten, Paradoxien, Rätseln usw. Bereitet man diese Texte kindgemäß auf, wobei man sich vor platten Vereinfachungen

Für den psychotherapeutisch tätigen Psychologen ist das vorliegende Buch u.a. von besonderem Interesse, weil ein Philosophieren über das Leben, worin auch moralische Überlegungen ohne moralisierende Besserwisserei enthalten sind, einen beachtlichen Beitrag zur seelischen Gesundheit leistet: "Die Bewußtmachung und Bindung des Heranwachsenden an überpersönliche Werte und Normen verleiht ihm nicht nur Halt und gibt ihm Orientierung in Entscheidungssituationen. Die bewußte und frei gewollte Wertverwirklichung im eigenen Tun verleiht der handelnden Person vor ihr selbst einen Wert; indem sie das Rechte tut, kann sie sich mit sich selbst identifizieren und sich selbst bejahen." (S. 145) Am Mangel eines bewußten ethisch bedeutsamen Wertentwurfes kranken die meisten Patienten der Psychotherapie. Etwas abgewandelt äußerte sich der Psychoanalytiker O. Fenichel zur Bedeutung der Wertorientierung für den Menschen: "Was heißt Lebenswille anderes, als sich durch ein Über-Ich gehalten fühlen?"

Diesen Halt gewährt es aber nur, wenn es nicht aufoktroyiert ist, sondern in freiem Dialog erworben wurde. Damit kann nicht früh genug begonnen werden.

Dipl.-Psych. B.Kuck

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