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Fischer, Jeannette: Psychoanalytikerin trifft Marina Abramoviċ / Künstlerin trifft Jeannette Fischer. Ein Buch von Jeannette Fischer. Scheidegger & Spiess 2018


Im Gespräch mit der Psychoanalytikerin wünscht sich die Künstlerin Klarheit darüber, was biographisch in ihre künstlerische Arbeit einfließt. Es geht im Werk immer wieder um Angst vor Selbstverlust, eigentlich um die Angst vor der inneren Leere aus Ermangelung eines Selbst. Denn Frau Abramoviċ wurde von ihrer vermutlich schwer pathologischen Mutter als Selbstobjekt missbraucht. Durch den Schmerz, den sie sich nun in der Performance selbst zufügt, erfährt sie für die Dauer des Schmerzes ein Selbsterleben durch den Leib. Ferner wehrt sie in klassisch masochistischer Weise die Hilflosigkeit, das Benutztwerden, durch die Wendung von passiv in aktiv ab. In Rhythm 0 riskiert sie sogar ihre Tötung, indem sie den Besucher*innen allerlei Quälwerkzeuge zur Auswahl stellt – darunter auch eine Pistole und zugehörige Patrone -, mit denen diese Frau Abramoviċ aktiv quälen und verletzen können. Ausdrücklich übernimmt sie die Verantwortung für das Tun der anderen. Hier ist man eher an die Untersuchungen von Pilgrim und dem Prisonexperiment erinnert, in dem Teilnehmer*innen bereit zu quälen sind, wenn ihnen die Verantwortung abgenommen wird. Insofern hält Frau Abramoviċ uns einen Spiegel vor, in dem die Bereitschaften zu sadistischen und voyeuristischen Handlungen thematisiert werden. Das findet bei photographierten und gefilmten Kindesmisshandlungen gleichermaßen statt. Hier nur ist es „freiwillig“, dient der Erarbeitung eines Selbst, was sonst bei Patienten, die sich selbst verletzen, meist nicht gelingt. Nach 70 Jahren scheint dies Frau Abramoviċ gelungen zu sein. Aber ist das Kunst? So wurde Frau Abramoviċ nicht nur von zweien ihrer Männer weiter missbraucht, indem sie ihren Erfolg für sich auszunutzen versuchten. Auch der Kurator des Museum of Modern Art hatte nicht das Wohl der Künstlerin im Blick, wenn er sie drei Wochen sich öffentlich selbst quälen lies (The Artist is Present), dann aber acht Minuten vor der Zeit die Performance abbrach, und „sich damit ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit“ sicherte (S. 116). Ja auch Cover und Titel des Buches lassen den Verdacht aufkommen, Frau Fischer sei Partizipandin am Ruhm der Künstlerin. Jedenfalls erfahren wir nichts von einer wahrscheinlichen Gegenüberübertragung. Die Ausstellung ist in der Bonner Bundeskunsthalle noch bis zum 12.8. zu sehen – Vorsicht: Trigger!

Bernd Kuck Dezember 2019      
Erstveröffenlichung: Ärzteblatt PP 17, Ausgabe Dezember 2018, Seite 567

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Fischer/Abramoviċ

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In Bonn-Bad Godesberg z.B. in der Parkbuchhandlung

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