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Steinbrecher, Sigrid: Die Vaterfalle. Die Macht der Väter über die Gefühle der Töchter. Reinbek 1991, 11. Auflage 2002, rororo Taschenbuch, 253 Seiten


Offenbar spricht dieser Text viele Frauen an und wird seit nunmehr 11 Jahren aufgelegt. Es ist ein Buch über die patriarchale Verbiegung der Töchter durch ihre Väter. Die Autorin, Individualpsychologin aus Hamburg, schreibt leicht verständlich und stellt die Problematik der von der Anerkennung durch den Vater abhängigen Frau dar. Diese dem Vater zugeschriebene Definitionsmacht überträgt die Frau auf zukünftige Liebespartner - und geht meist leer aus. So ist die Frau in Gefahr, der Selbstentfremdung verhaftet, in der Vaterfalle gefangen zu bleiben. Im Sinne von Alice Miller ("Du sollst nicht merken") getraut die Frau sich nicht wirklich, den Vater in Frage zu stellen, ihn seiner Gefühllosigkeit und Unverständigkeit zu überführen. Selbst wo die "wütenden Töchter" ständig von ihrem Hass sprechen, bleiben sie an den Vater, den Mann gebunden, nur eine andere Spielart der "versöhnlichen Töchter", die allzu schnell bereit sind, das Verhalten der Väter zu entschuldigen, nur um sie nicht zu konfrontieren. Selbst "emanzipierte" Frauen würden es nicht wirklich wagen, die Rollenzuschreibung des kleinen, ungenügenden Mädchens auf der einen Seite, des starken Mannes  auf der anderen, zu hinterfragen.

Die Grundsätzliche patriarchale Struktur, in der die Definitionsmacht auf Seiten der Väter liegt, wird in der Regel durch Angst, bedingt durch handgreifliche und subtile Gewalt, und Verlassenheitsdrohungen aufrecht erhalten. Diese Grundgedanken werden durch viele Beispiele unterlegt. Und wäre da nicht die Aufforderung an die Frauen, nicht zu klagen, sondern den schmerzlichen Weg der Selbstbefreiung zu gehen, wäre da nicht die Aufforderung und Forderung an Frau und Mann, die alten Strukturen durch gemeinsame Anstrengung aufzubrechen, es wäre mir ein seichtes Buch mit ewigen Wiederholungen, bei dem als Gesamttenor der simple Manichäismus des Schwarz und Weiß, der im Grunde guten Frau, die nur vom bösen Vater verdorben wurde und wird.

Dazu gehörte eine etwas oberflächliche Rezeption sowohl von Christiane Olivier ("Jokastes Kinder") als auch von Simone de Beauvoir ("Das andere Geschlecht"), wie insgesamt ein tiefenpsychologisches Denken vermisst wird. Die Metapher bei Ch. Olivier, wonach der Vater im Mädchen das Gefühl des Begehrtwerdens weckt, worin auch eine Anerkennung ihrer Weiblichkeit liegt, ohne die Persönlichkeits- und Generationengrenzen zu überschreiten, wird auf den bloß sexuellen Aspekt reduziert. Der eigentlich wichtigere Gedanke, dass gerade auch die Mütter die zukünftigen Patriarchen erziehen, die Frauen damit "halb Täter, halb Opfer" (Sartre) sind - wie wir alle, wird gerade nicht hervorgehoben. Diesen Aspekt hätte die Autorin schon bei de Beauvoir im Theorem von Hegels "Herr und Knecht" finden können, worin die Dialektik von Herrscher und Beherrschtem für das Verhältnis der Geschlechter dargelegt ist. Diese Dialektik kommt ebenfalls in der Psychosomatik zum Tragen, einer, wenn auch unbewußten Möglichkeit, durch Schwäche zu herrschen - Zusammenhänge, die Alfred Adler, der Begründer der Individualpsychologie, deutlich herausgearbeitet hat. Zugegeben, ein hilfloser Versuch, der jedoch in der dialektischen Logik des Oben und Unten  durchaus "erfolgreich" ist, leiden darunter ja nicht nur die Frauen, sondern auch deren Männer, worin ein wesentliches Moment der teilweisen Schwerbehandelbarkeit somatisierender Patienten liegt.

Schön herausgearbeitet ist das Dilemma der "Lieblingstöchter", die oft unter enormer innerer Spannung die Erwartungen des Vaters zu erfüllen suchen. "Nur: In einer patriarchalen Ordnung kann es keine geliebten Töchter geben, sondern nur Vorzeigetöchter, die den Wert des Vaters erhöhen" (52).

Recht problematisch wird es, wenn Frau Steinbrecher ein "ursprüngliches und natürliches" Gefühl der Frauen anspricht: "Sorge und Verantwortung für ihre Kinder." Was da ursprünglich und natürlich beim Menschen ist, wissen wir doch überhaupt nicht, ist doch die Kultur schon immer als Überformerin mit von der Partie. Hier ist Elisabeth Badinter zu empfehlen ("Mutterliebe, Geschichte eines Gefühls.").

Geradezu peinlich wird es, wenn Frau Steinbrecher ihre anderen Bücher nicht nur im Literaturverzeichnis aufführt, sondern auch noch daraus zitiert. Dadurch werden ihre Aussagen nicht wahrer. Aber vielleicht ist manches einfach nur ungeschickt, allzu sehr vereinfacht, damit die Breitenstreuung möglichst groß ist?

Es finden sich auch wichtige Sätze wie diese: "Liebe ist nicht einklagbar - und es hilft wenig, sich als Opfer zu fühlen. Es schwächt die Frauen nur unnötig und lässt sie manchmal geradezu im Selbstmitleid versinken" (127).

Dann wieder scheint die Autorin die dynamische Wirkung der Schuldgefühle, gerade in ihrer Verquickung mit der masochistischen Struktur vieler Frauen, ihre weltanschauliche Tröstung gerade auch in der christlichen Religion, völlig zu unterschätzen, indem sie die "psychologische Lehrmeinung" (welche oder wessen?) völlig simplifiziert, wonach Schuldgefühle dazu da seien, aus einem schlechten Menschen einen guten zu machen. (155) Das heißt nun Alfred Adler (und vor ihm Friedrich Nietzsche) völlig zu verflachen. Wer etwas über die Struktur des Masochismus (des moralischen, nicht bloß des sexuellen!) erfahren möchte, der sollte mindestens das Adlersche Theorem des "männlichen Protestes" zur Kenntnisnehmen und Theodor Reik ("Aus Leiden Freuden") studieren.

Quintessenz: Als leichter Einstieg in die Thematik, leicht lesbar. Zum tieferen Verstehen wird es nicht reichen. Auch wird Frau nicht in die Lage versetzt, was jeder durchaus dringend zu empfehlen ist: "Jede Frau hat die Möglichkeit, den erwählten Mann genau unter die Lupe zu nehmen. Aber was sie dann zu sehen bekäme, entspräche eben nicht dem Traumbild ihres Märchenprinzen. Sondern sie würde einen Mann sehen mit seinem üblichen Fehlern und Schwächen" (172).

Bernd Kuck
Dezember 2003

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