Fromm-Reichmann, Frieda: Intensive Psychotherapie. Grundzüge
und Technik. Stuttgart 1959, 230 Seiten, Hippokrates Verlag
Frieda Fromm-Reichmann emigrierte, wie viele andere Analytikerinnen und
Analytiker in der Hitler-Zeit in die Vereinigten Staaten von Amerika. Sie
arbeitete fast 15 Jahre am Chestnut-Lodge-Sanatorium und lehrte an der
Washington School of Psychiatry, am psychoanalytischen institut in
Washington-Baltimore, sowie am William Alanson White-Institute für Psychiatrie
in New York.
Sie stützt sich hauptsächlich auf die Psychoanalyse Sigmund Freuds, sowie
auf die interpersonelle Theorie Harry Stack Sullivans, einem der sogenannten
Neoanalytiker. Dabei hat sie nicht nur einen Zugang zu neurotischen, sondern
auch zu psychotischen Patienten gesucht und oft gefunden. Das vielleicht
aufschlussreichste Denkmal hat ihr eine Patientin in Romanform gesetzt
("Ich hab' dir nie einen Rosengarten versprochen")
Der vorliegende Text ist nun nicht allein unter historischem Aspekt
interessant. Wie in manchen dieser älteren Texte der Pioniere scheint auf jeder
Seite das tiefe Engagement durch, wobei Frieda Fromm-Reichmann irreführend von
Technik spricht - was ein Zusatz der deutschen Ausgabe sein mag, im Original ist
einfach von den Prinzipien der Intensiven Psychotherapie die Rede -, vorrangig
jedoch die Person, besonders die Persönlichkeit der Psychotherapeuten im Visier
hat und deren integere Bemühung um den konfliktbeladenen Menschen.
Eigentlich steht also die Beziehung im Mittelpunkt. Dazu müssen Methoden
gefunden werden, die nicht stur aus dem Lehrbuch kommen und dem hilfesuchenden
Menschen übergestülpt werden dürfen. Eine Kluft zwischen Patient und
Therapeut gibt es nicht. Dies mag für die damalige autoritätsgläubige Zeit
revolutionär gewesen, trotzdem für uns Heutige immer noch gültig - oder
vielleicht schon gerade wieder - sein.
"Diese Achtung kann nur aufrichtig sein, wenn sich der
Psychotherapeut darüber klar ist, daß die Lebenskonflikte des Patienten
sich von seinen eigenen nicht allzu sehr unterschieden." (14)
Daher diskutiert Fromm-Reichmann ausführlich die persönlichen und
beruflichen Voraussetzungen der Therapeuten. Neben der Beachtung von
Übertragung und Gegenübertragung gibt es konkrete
Therapeuten-Patienten-Beziehungen, in denen sich die Beziehungsdynamik des
Patienten entfaltet, aber eben auch die des Therapeuten als konkretem Geschehen,
was Irrtümer, Mangel an Verstehen, ja auch menschliche Unzulänglichkeiten des
Therapeuten einschließt. Selbst wenn eine Gegenübertragung des Therapeuten
(hier verstanden als eigene Übertragungskalamität aus der persönlichen
Geschichte des Therapeuten) aufgeklärt werden kann, enthebt es ihn nicht der
Notwendigkeit, "seinen 'Kunstfehler' als einen solchen einzugestehen."
(20)
Eine der wichtigsten Voraussetzungen für die anspruchsvolle therapeutische
Aufgabe ist die Fähigkeit zum aktiven Zuhören. Man kann es auch
voraussetzungslose Offenheit oder Präsenz nennen, womit die innere Freiheit des
Therapeuten von eigener Bedürfnisbefriedigung durch den Patienten gemeint ist.
D.h. vor allem, dass der Therapeut ein außerberuflich befriedigendes und
erfülltes Leben lebt, woraus er eigene Sicherheit und persönliche
Unabhängigkeit bezieht. Bei allem, was man so hört, anscheinend noch immer
keine Selbstverständlichkeit.
Im Zentrum steht für die Autorin die menschliche Begegnung - man würde
heute schon von Körpertherapie sprechen -, womit sie sich schon damals von
falsch verstandener psychoanalytischer Orthodoxie entfernt. Das authentische
Gegenüber ist gefragt, wo alles Scheinen fehl am Platze ist. Man kann sich
hinter Posen und Techniken verbergen und dies ist allemal schädlich für eine
wahrhaftige Beziehung, die einer therapeutische sein sollte.
Damit werden viele Aspekte einer ethischen Haltung berührt, die für unsere
heutige Zeit nichts an Aktualität eingebüßt haben, weshalb das Buch immer
noch lesenswert ist, auch wenn nur antiquarisch verfügbar.
Bernd Kuck
Dezember 2003
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